(Letzte Aktualisierung: 26.10.2022)
Kriege gehören untrennbar zur Geschichte der Erde. Die Weltkriege des 20. Jahrhunderts haben vielerlei Auswirkungen bis heute, sie haben Grenzen neu gezogen und politische Systeme bis in die Gegenwart beeinflusst.
Auch heute noch gibt es eine Vielzahl bewaffneter Auseinandersetzungen, meist in instabilen Staaten in der Dritten Welt. Diese sind häufig keine „klassischen“ Kriege mehr, sondern oft ungeordnete Kämpfe mit wechselnden Beteiligten.
Dass auch im Krieg, trotz aller ausgeübten Gewalt, gewisse Regeln gelten müssen, war bereits in der Antike anerkannt. Es handelte sich damit um die frühesten Ansätze völkerrechtlicher Normen. Diese Regeln waren aber weniger kodifiziert, sondern entstammten den soldatischen Tugenden und Ehrbegriffen.
Heute sollen insbesondere das „Haager Recht“ und das „Genfer Recht“ die Kriegsführung in menschliche Bahnen lenken. Dabei gibt es erhebliche Unterschied zwischen dem Recht der Kriegsführung einerseits und dem Recht nach Kriegsende (z.B. in Form von Besatzung) andererseits. Auch zwischen Soldaten und Zivilisten muss differenziert werden.
Da das Kriegsvölkerrecht die Staaten – trotz aller Gewalt, die mit Kriegen immer verbunden ist – zu einer humanen Behandlung auch des Gegners verpflichtet, wird insoweit auch vom Humanitären Völkerrecht gesprochen.
Inhalt
Grundlagen
Was sind „ius ad bellum“ und „ius ad bello“?
Als „ius ad bellum“ bezeichnet man den Rechtsrahmen, innerhalb dessen die Kriegsführung zulässig ist. Hier wird also geregelt, in welchen Fällen Staaten militärische Gewalt gegen andere Staaten anwenden dürfen.
Das „ius ad bello“ behandelt dagegen die Frage, auf welche Art und Weise ein Krieg geführt werden darf, legt also die Zulässigkeit einzelner Kriegshandlungen fest.
Sind Kriege grundsätzlich völkerrechtswidrig?
Das lässt sich so nicht sagen. Das Völkerrecht geht davon aus, dass es Kriege gibt. Die ältesten völkerrechtlichen Grundsätze drehen sich auch gerade um den Krieg.
Zugleich versucht das neuere Völkerrecht seit dem Ersten und vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg, Kriege möglichst zu vermeiden, und ächtet sie auch weitgehend. Bedeutendste Grundnormen sind heute das Gewaltmonopol einerseits und das Recht auf Selbstverteidigung andererseits.
Daneben wird durch das ius ad bello versucht, Kriege (wenn sie denn schon unvermeidlich sind) möglichst zivilisiert und ohne unnötige Opfer stattfinden zu lassen.
Spielt das Recht im Krieg denn wirklich eine Rolle?
Das kommt darauf an. Natürlich ist es naiv, zu glauben, man könne Panzer mit Paragraphen aufhalten. Allerdings wird es für die Staaten immer wichtiger, sich moralisch und auch juristisch im Recht zu wähnen. Und dazu gehört eben auch, das Kriegsrecht zu respektieren.
Wenngleich man es kaum verhindern kann, dass Völkerrecht gebrochen wird, werden die Staaten das meist vermeiden, um sich nicht international zu isolieren. Ausnahmen gibt es selbstverständlich.
Rechtsquellen des Kriegsvölkerrechts
Was regelt die Haager Landkriegsordnung?
In der Haager Landkriegsordnung sind die Bräuche des Kriegs festgelegt. Insbesondere geht es um die Gepflogenheiten bei militärischen Auseinandersetzungen und den Umgang mit feindlichen Soldaten.
Die HLKO ist der wichtigste Teil der Haager Abkommen von 1907, die das Kriegsrecht umfassend regeln. Insoweit wird auch vom „Haager Recht“ gesprochen.
Was sind die Genfer Konventionen?
Die Genfer Konventionen sollen sicherstellen, dass bei einem Krieg oder anderen bewaffneten Konflikt moralische Grundstandards erhalten bleiben. Es gibt vier Genfer Konventionen, die zusammen das „Genfer Recht“ bilden:
- Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde (GK I)
- Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See (GK II)
- Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen (GK III)
- Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (GK IV)
Was regelt die erste Genfer Konvention?
In der ersten Genfer Konvention geht es um den Schutz verwundeter und erkrankter Soldaten im Landkrieg. Diese sind zu schützen, ihre Tötung oder weitere Gesundheitsschädigung ist untersagt. Medizinische Einrichtungen dürfen nicht durch kriegerische Handlungen angegriffen werden.
Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz werden geschützt und dürfen sich um die Versorgung der Verletzten kümmern. Sie markieren sich durch spezielle Schutzzeichen wie eben das rote Kreuz auf weißem Grund.
Was regelt die zweite Genfer Konvention?
Die GK II regelt parallel zur ersten Genfer Konvention den Schutz verwundeter und erkrankter Soldaten im Seekrieg.
Als Besonderheiten der Seefahrt werden hier auch noch Schiffbrüchige explizit geschützt und Hospitalschiffe als militärische Ziele ausgeschlossen.
Was regelt die dritte Genfer Konvention?
Diese dritte Genfer Konvention regelt den Umgang mit Kriegsgefangenen. Auch diese dürfen weder getötet noch gefoltert oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Unterbringung und Versorgung muss zivilisatorischen Mindeststandards entsprechen und darf nicht wesentlich hinter der Situation der eigenen Soldaten zurück bleiben. Auch muss ihnen das Schreiben und Empfangen von Post ermöglicht werden.
Was regelt die vierte Genfer Konvention?
Die GK IV schützt Zivilisten des Gegners. Diese sollen, soweit möglich, ihr „normales Leben“ weiterführen können. Sofern sie sich im unmittelbaren Kriegsgebiet aufhalten, muss ihnen ermöglicht werden, dieses zu verlassen.
Im Falle einer dauerhaften Besetzung feindlichen Gebiets muss die Besatzungsmacht die Versorgung dieses Gebiets und seiner Bewohner sicherzustellen oder jedenfalls Hilfslieferungen zuzulassen. Die Internierung von Zivilisten ist zulässig, muss aber in humaner Weise geschehen.
Was regeln die Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen?
Das Zusatzprotokoll I regelt verschiedene, nicht unmittelbar zusammen gehörende Thematiken. Zum einen wird die Anwendung der Genfer Konventionen auf Aufstände gegen Kolonial- und Besatzungsmächte erweitert. Kriegsteilnehmer können Schutzmächte benennen, die die Einhaltung der Konventionen überwachen. Die Sanitätsdienste werden noch weiter geschützt, insbesondere beim Verwundetentransport. Unnötig schädigende Kriegshandlungen werden verboten.
Das zweite Zusatzprotokoll erfasst zunächst Bürgerkriege. Allgemein werden nähere Bestimmungen dazu niedergelegt, wie eine menschliche Behandlung der geschützten Personen aussehen soll, und welche zivilen Einrichtungen besonders geschont werden sollen.
Zusatzprotokoll Nr. 3 führt im Wesentlichen nur ein viertes Schutzzeichen neben dem Roten Kreuz, dem Roten Halbmond und dem Roten Löwen – den Roten Kristall, ein auf der Spitze stehendes rotes Quadrat auf weißem Grund.
Wie verhalten sich HLKO und Genfer Konventionen zueinander?
Grundsätzlich behandelt die HLKO die Handlungen des Militärs in einem bewaffneten Konflikt, also die Kriegsführung im eigentlichen Sinne. Die Genfer Konventionen dagegen schützen die Personen, die nicht oder nicht mehr am Kampf beteiligt sind, also Zivilisten und verwundete oder gefangengenommene Soldaten. So gesehen stehen Haager und Genfer Recht also nebeneinander.
Allerdings hat auch das Haager Recht bereits gewisse Schutzvorschriften für Kriegsgefangene und Zivilpersonen vorgesehen. Diese wurden durch das Genfer Recht verdrängt, spielen also keine Rolle mehr.
Definition des Krieges
Was ist ein Krieg?
Also die HLKO vereinbart wurde, war ein Krieg noch eine sehr formelle Angelegenheit: Ein Krieg wurde als legitimes Mittel der internationalen Auseinandersetzung gesehen. Dieser wurde durch einen Staat auf diplomatischem Wege dem anderen Staat erklärt. Anschließend führten diese Staaten, meist an der gesamten gemeinsamen Grenze, militärische Aktionen gegeneinander durch.
Derartige Kriege gibt es heute praktisch nicht mehr. Insbesondere werden Kriege nicht mehr erklärt, sondern jeder Staat hat den Anspruch, sich als Angegriffener darzustellen, der sich lediglich gegen Aggressoren zur Wehr setzt.
Darum wird völkerrechtlich mittlerweile weniger vom Krieg als vielmehr vom „internationalen bewaffneten Konflikt“ gesprochen. Hierunter wird jede Auseinandersetzung verstanden, die Gewaltanwendung durch organisierte Armeen umfasst, sofern die Auseinandersetzung zumindest eine gewisse Intensität umfasst.
Ist auch ein Bürgerkrieg völkerrechtlich ein Krieg?
Mittlerweile werden auch Bürgerkriege zu den Kriegen gerechnet.
Da, siehe oben, der Begriff des Krieges als völkerrechtliche Kategorie durch den „internationalen bewaffneten Konflikt“ ersetzt wurde, erscheint dies zunächst unlogisch. Tatsächlich geht die Völkerrechtswissenschaft daher davon aus, dass es auch den „nicht-internationalen bewaffneten Konflikt“ gibt.
Da aber nicht jede nationale Auseinandersetzungen an den Vorschriften des Kriegsrechts gemessen werden soll, ist hierfür regelmäßig ein höheres Maß an Gewaltanwendung notwendig, die den Konflikt bspw. von einem reinen Einsatz von Sicherheitsbehörden abgrenzt. Notwendig ist daher eine kollektive Gewaltanwendung durch organisierte Gruppen, die durch die Regierung mit außergewöhnlichen, militärischen Maßnahmen bekämpft wird.
Warum gibt es keine Kriegserklärungen mehr?
Eine Kriegserklärung bedeutet, dass ein Staat erklärt, gegenüber einem anderen Staat vom Frieden zum Krieg überzugehen. Wer diese Erklärung äußert, gesteht damit ein, dass bislang Frieden herrscht und er nun willentlich den Krieg beginnt. Eine solche Kriegsschuld will heute niemand mehr auf sich nehmen.
Schon nach dem Ersten Weltkrieg wurde mehr und mehr versucht, sich als Angegriffener darzustellen, der auf die Aggression der Gegenseite reagieren musste. Sogar Hitler hat den Überfall auf Polen 1939 mit einem inszenierten Überfall auf den Rundfunksender Gleiwitz begründet, aufgrund dessen nun (ohne Kriegserklärung) „zurück geschossen“ werde. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es keine formelle Kriegserklärung mehr.
Wann beginnt ein Krieg völkerrechtlich?
Ein Krieg beginnt grundsätzlich mit dem ersten Schuss gegen den Gegner, sofern die weitere Gewaltanwendung die Schwelle zum Krieg überschreitet.
Wann endet ein Krieg völkerrechtlich?
Ein Krieg endet völkerrechtlich, sobald die Feindseligkeiten zwischen den Beteiligten enden. Notwendig ist eine eindeutige, dauerhafte Einstellung der bewaffneten Schädigungshandlungen. Nicht nötig ist dagegen eine formelle Erklärung dahin gehend, dass von weiteren Kriegshandlungen abgesehen wird, oder gar ein Friedensvertrag.
Lässt sich Beginn und Ende des Krieges nur nachträglich feststellen?
Im Endeffekt schon. Erst nach Beginn des Krieges lässt sich feststellen, ob der erwähnte „erste Schuss“ schon zum Krieg geführt hat. Ebenso kann erst nach dem Ende des Krieges konstatiert werden, dass dieser dauerhaft eingestellt wurde.
Ius ad bellum
Was bedeutet das Gewaltmonopol?
Innerhalb von Staaten bedeutet das Gewaltmonopol, dass die Durchsetzung von Rechtsnormen durch Gewalt nur durch den Staat und seine Organe (z.B. Gerichte und Polizei) geschehen darf. Im Völkerrecht gibt es aber keinen zentralen Durchsetzungsmechanismus wie in einem Staat.
Das völkerrechtliche Gewaltmonopol weist dem UN-Sicherheitsrat alleine das Recht zu, militärische Maßnahmen anzuordnen (Artikel 42 der UN-Charta). Diese stehen unter der Voraussetzung, dass nichtmilitärische Sanktionen (Art. 41) nicht ausreichen.
Was ist das Selbstverteidigungsrecht?
Das Recht der Selbstverteidigung stellt eine Ausnahme vom Gewaltmonopol dar. Artikel 51 der UN-Charta erkennt „das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung“ gegen einen bewaffneten Angriff an. Sowohl der betroffene Staat selbst als auch andere, von ihm zur Hilfe gebetene Staaten dürfen sich mit Waffengewalt gegen einen Aggressor wehren.
Die Selbstverteidigungsmaßnahmen sind aber dem Sicherheitsrat mitzuteilen, damit dieser anschließend selbst die notwendigen Maßnahmen treffen kann. Streng genommen endet das Recht zur Selbstverteidigung, sobald der Sicherheitsrat tätig geworden ist. Tatsächlich wird sich aber kaum ein Staat davon abhalten lassen, sich weiter zu verteidigen, wenn es dies für angebracht hält.
Ist ein Präventivkrieg zulässig?
Das ist umstritten.
Ein Präventivkrieg ist ein Krieg, der von der einen Seite begonnen wird, um einem Krieg der Gegenseite zuvorzukommen. Wer den Präventivkrieg beginnt, ist also formal gesehen zunächst selbst der Aggressor und verstößt damit gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot. Das Selbstverteidigungsrecht greift noch nicht, da ja gerade noch kein Angriff der Gegenseite vorliegt, sondern nur droht.
Ob es daneben einen Rechtfertigungsgrund gibt, einen Krieg beginnen zu dürfen, um nicht von einem bevorstehenden Angriff überrascht zu werden oder sonst in eine nachteilige Lage zu geraten, ist völkerrechtlich noch nicht geklärt. Man wird dies wohl so sehen müssen, wenn ansonsten nicht ausgleichbare Schädigungen drohen.
Beispiel:
Staat A und Staat B sind seit Jahren verfeindet. Staat A findet heraus, dass Staat B Atomwaffen entwickelt und auch gegen Staat A einsetzen würde. Darf A deswegen einen Krieg gegen B beginnen?Hier dürfte es schwer sein, zu begründen, warum A zunächst die Aggression von B abwarten muss. Wenn die Atombombe fällt, nutzt A das dann fraglos gegebene Selbstverteidigungsrecht nicht mehr viel. Allerdings dürfte dann kein Eroberungskrieg gegen B zulässig sein, sondern lediglich Maßnahmen, die bspw. gegen nukleare Produktionsanlagen gerichtet sind.
Was ist die Webster-Formel?
Die sog. Webster-Formel versucht, die zeitlichen Grenzen des Selbstverteidigungsrechts zu definieren. Demnach beginnt das Recht auf Selbstverteidigung schon dann, wenn
- ein Angriff unmittelbar bevorsteht,
- der Angriff überwältigend (also besonders massiv) wäre,
- keine anderen Mittel zur Verfügung stehen und
- keine Zeit für weitere Verhandlungen bleibt.
Diese Formel lehnt also ein Recht auf einen Präventivkrieg ab, verlagert aber den Beginn des Selbstverteidigungsrechts nach vorne.
Welchen Umfang darf die Selbstverteidigung haben?
Die Verteidigungshandlung muss notwendig und zumindest nicht unverhältnismäßig sein. Die Aggression erlaubt zwar Verteidigung, aber keine Gegenaggression.
Ob es zulässig ist, „den Krieg zum Feind zu tragen“, also dessen Territorium anzugreifen, ist fraglich. Dies dürfte zumindest der Fall sein, wenn es um die Unterbindung von Nachschub geht oder sonst weitere Angriffshandlungen verhindert werden. Dazu gehört unter Umständen auch ein begrenzter Angriff auf feindliche Ziele, die dazu führen sollen, dass Truppen vom Angriff zur Verteidigung zurück gezogen werden. Auf Eroberung oder auf Demoralisierung ausgelegte Angriffe sind dagegen nicht gedeckt, weil hier keine Verteidigung mehr vorliegt.
Grundsätzlich endet das Selbstverteidigungsrecht jedenfalls dann, wenn der Angriff sicher beendet ist. Eine genaue zeitliche und räumliche Grenze lässt sich aber nicht ziehen. Zulässig ist jedenfalls die Bekämpfung feindlicher Truppen auf eigenem Gebiet, weil deren Präsenz (sofern sie sich nicht ergeben haben oder erkennbar friedlich abziehen) als Fortführung des Angriffs angesehen werden kann.
Was ist eine Humanitäre Intervention?
Als Intervention bezeichnet man ein militärisches Eingreifen in einem anderen Land, um eine humanitäre Notlage zu beheben, insbesondere gravierende Menschenrechtsverletzungen zu beenden.
Sofern die Intervention auf Anforderung der Regierung des Landes geschieht (z.B. zur Bekämpfung von Rebellengruppen), handelt es sich aufgrund dieser Zustimmung schon begrifflich um keinen Krieg zwischen den intervenierenden
Land und dem Zielland. Es kann aber trotzdem ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt zwischen der Regierung und den bekämpften Gruppen sein.
Daneben kann der UN-Sicherheitsrat im Rahmen seines Gewaltmonopols eine Humanitäre Intervention anordnen. Ziel der Intervention ist dann oftmals die Entmachtung dieser Regierung.
Ob eine Intervention gegen den Willen der Regierung und ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates zulässig ist, ist strittig. Teilweise wird vertreten, dass das Gewaltmonopol des Sicherheitsrates gerade solche Interventionen ausschließen soll. Dem wird aber entgegnet, dass der Schutz der Menschenrechte Vorrang genießt, insbesondere, wenn eine Einigung im Sicherheitsrat aus politischen Gründen nicht zustande kommt.
Ius in bello
Wann ist das ius in bello anwendbar?
Grundsätzlich vom Beginn bis zum Ende des Krieges.
Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass mit dem erwähnten „ersten Schuss“ sofort alle Regeln der Kriegsvölkerrechts unmittelbar Anwendung finden. Diese sind grundsätzlich funktional auszulegen, also danach, welchen Schutz sie vermitteln sollen. Solange dieser Schutz angesichts der Intensität des Konflikts noch nicht notwendig ist, gelten diese Regeln auch noch nicht.
Die Anwendbarkeit kriegsvölkerrechtlicher Regeln endet ebenfalls nach funktionalen Gesichtspunkten. Die meisten Regelungen treten außer Kraft, sobald die Kampfhandlungen enden. Für Kriegsgefangenschaft nach Kriegsende gelten die entsprechenden Regeln allerdings weiter. Ebenso sind die Regularien der Besatzung weiter anwendbar. Artikel 6 Absatz 3 der vierten Genfer Konvention ordnet zudem an, dass ein Jahr nach dem Ende der Kampfhandlungen die meisten Rechte der Besatzungsmacht außer Kraft treten.
Darf man im Krieg töten?
Ja. Das Töten der „Feinde“, also der gegnerischen Soldaten, ist das Wesen des Kriegs. Dem einzelnen Soldaten kann grundsätzlich kein Vorwurf daraus gemacht werden, wenn er im Rahmen der Kampfhandlungen den Gegner verletzt oder gar tötet. Das allgemeine Strafrecht, das dies bspw. als Mord ansehen würde, ist insoweit nicht anwendbar.
Allerdings unterliegen die Kampfhandlungen eben dem Kriegsvölkerrecht, in dem Fall dem ius in bello. Das bedeutet, dass nicht jede Aktion im Rahmen des Kriegs automatisch erlaubt ist.
Wie darf ein Krieg geführt werden?
Das ius in bello erlaubt grundsätzlich keine bestimmten Kriegshandlungen, sondern legt nur dar, was verboten ist. Die bedeutendsten Regelungen insoweit sind:
- Prinzip der Verhältnismäßigkeit militärischer Aktionen (nicht kodifiziert)
- Tötung von Feinden, nachdem sich diese ergeben haben (Art. 23 lit. c HLKO)
- Verbot überflüssiger Verletzungen und unnötigen Leidens (Art. 23 lit. e HLKO)
- Pflicht zur schonenden Behandlung feindlichen Eigentums (Art. 23 lit. g HLKO)
- Verbot des Beschusses unverteidigter Ziele (Art. 25 HLKO)
- Plünderungsverbot (Art. 28 HLKO)
- Unverletzlichkeit von Verhandlungspersonal (Art. 32 HLKO)
Welche Gebäude dürfen nicht angegriffen werden?
Grundsätzlich müssen sich alle Angriffe auf militärische Objekte richten. Dass zivile Gebäude und auch die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen wird, ist jedoch als sog. Kollateralschaden grundsätzlich akzeptiert.
Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass diese Kollateralschäden so gering wie möglich und im Vergleich zum militärischen Ziel nicht unverhältnismäßig sind. Insoweit gibt es eine Pflicht zur Einholung relevanter Informationen über zu befürchtende Schäden, allerdings darf eine gewisse Prognoseunsicherheit verbleiben.
Besonders geschützt werden müssen aber insbesondere folgende Gebäude:
- Bibliotheken
- Museen
- Krankenhäuser
Schulen und Universitäten waren ursprünglich nicht von einem besonderen völkerrechtlichen Schutz umfasst. Man kann jedoch davon ausgehen, dass diese heute von militärischen Angriffen unbedingt auszunehmen sind.
Dürfen Städte bombardiert werden?
Prinzipiell schon, allerdings gilt auch hier das Verbot von Angriffen auf zivile Ziele. Die Angriffe müssen also gezielt militärische Objekte anpeilen. Insoweit kann man jedoch nicht davon sprechen, dass eine Stadt per se ein nichtmilitärisches Ziel ist. Unzulässig sind aber ein Flächenbombardement, da hier eine Unterscheidung der Ziele nicht mehr stattfindet.
Was ist das Prisenrecht?
Das Prisenrecht ist ein Rechtsinstitut des Seekriegsrechts. Demnach dürfen Schiffe mit Kriegsmaterial für die Gegenseite kontrolliert und blockiert und ggf. die Ladung sichergestellt werden. Dies gilt – mit Unterschieden in den Details – sowohl für neutrale als auch für feindliche Schiffe.
Was ist das Perfidieverbot?
Das Perfidieverbot untersagt Kriegshandlungen, die unter der Vortäuschung völkerrechtlichen Schutzes stattfinden. Dazu gehört bspw.:
- Zeigen der weißen Flagge, ohne tatsächlich verhandeln oder sich ergeben zu wollen
- Tarnung von Truppenteilen durch das Rotkreuzzeichen
- Aufstellen von militärischem Gerät in Krankenhäuser oder anderen geschützten Gebäuden
- Ausnutzen eines Waffenstillstands für Überraschungsangriffe
- Vortäuschen von Verwundung oder Kampfunfähigkeit
- Tarnung von Soldaten als Zivilisten
Ein solches Vorgehen gilt zum einen als militärisch unehrenhaft. Zum anderen soll aber auch die Geltung des Völkerrechts aufrecht erhalten werden. Der Gegner soll sich darauf verlassen können, dass weiße Flaggen und Waffenstillstände ernst gemeint sind und ihm selbst keine Gefahr droht. Ansonsten würden diese Rechtsinstitute ihre Bedeutung verlieren und ihre Schutzwirkung nicht mehr aufrecht erhalten können.
Was ist eine Kriegslist?
Eine Kriegslist ist – im Gegensatz zur Perfidie – eine erlaubte Täuschungshandlung. Eine solche besteht bspw.
- in der Tarnung von Truppenverbänden (aber eben nicht in der Tarnung als Rotkreuz-Einheiten oder Zivilisten),
- in der Herausgabe von Fehlinformationen und anderer Propaganda,
- im Durchführen von taktischen Manövern und Scheinangriffen.
Eine allgemeine Pflicht zur „Kriegsehrlichkeit“ gibt es also nicht.
Was sind Kombattanten und Nichtkombattanten?
Kombattant ist im Kriegsvölkerrecht jeder, der in zulässiger Weise Kriegshandlungen durchführt. Das sind in erster Linie die kämpfenden Teile der Truppe, also „Soldaten“ im klassischen Sinne.
Nichtkombattanten sind dagegen alle anderen Personen. Dazu gehören insbesondere:
- Armeeangehörige ohne Kampfauftrag
- medizinisches Personal
- Militärgeistliche
- Berater und Techniker der Truppe („ziviles Gefolge“)
- Zivilbevölkerung
Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich bei Kämpfern, die keine unmittelbaren Teile der Truppe sind, bspw. Guerillas, Söldner und Milizen. Insoweit wird im Wege einer Gesamtbetrachtung darauf abgestellt, dass diese sich in irgendeiner Form von der Normalbevölkerung unterscheiden und als zumindest „militärähnlich“ bezeichnet werden können. Bei Söldnern ist zudem notwendig, dass diese ihren Charakter als „privater Sicherheitsdienst“ verlieren und in die regulären Truppen eingegliedert werden.
Wofür ist der Kombattantenstatus relevant?
Nur Kombattanten sind aktive Teile des Krieges, dürfen also kriegerische Handlungen gegen den anderen Staat vornehmen und im Gegenzug auch bekämpft werden. Nichtkombattanten können wegen Kriegshandlungen dagegen strafrechtlich verfolgt werden.
Im Falle der Gefangennahme haben grundsätzlich nur Kombattanten den Kriegsgefangenenstatus. Dies wird aber auch auf Nichtkombattanten ausgeweitet, sofern es sich nicht um reine Zivilpersonen oder um illegale Söldner handelt. Dabei gibt es gewisse Detailunterschiede, so darf z.B. Medizinpersonal selbst nicht gefangen genommen, aber zurückgehalten werden, um die Versorgung von Kriegsgefangenen sicherzustellen.
Ist der Einsatz von Atomwaffen völkerrechtswidrig?
Dies ist umstritten.
Grundsätzlich gibt es keine völkerrechtliche Regelung, die den Einsatz von Nuklearsprengköpfen verbieten würde. Der Atomwaffensperrvertrag von 1968 untersagt die Weiterverbreitung von Atomwaffen an Länder, die bisher noch keine besitzen, untersagt aber deren Einsatz durch die bestehenden Atommächte nicht. Verschiedene Staaten haben Erklärungen dahingehend abgegeben, nicht als erste in einem Konflikt Atomwaffen einsetzen zu wollen, jedoch keine bindende und ausnahmslose Verpflichtung abgegeben, die Gewohnheitsrecht geworden sein könnte.
Der Internationale Gerichtshof ist im Jahr 1996 in zwei Gutachten zu der Überzeugung gelangt, dass es keine völkerrechtliche Basis gibt, die den Einsatz von Nuklarwaffen oder die Drohung mit ihrem Einsatz verbieten würden:
- ICJ – Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict
- ICJ – Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons
Die völkerrechtlichen Verträge und Erklärungen hierzu machten deutlich, dass sich die Atommächte den Einsatz der Waffen vorbehielten. Auch aus der Nichtanwendung von Atomwaffen nach 1946 sei noch kein Gewohnheitsrecht entstanden, wobei nicht auszuschließen sei, dass sich ein solches gerade entwickle.
Hinweise darauf, dass sich seit 1996 daran etwas Fundamentales geändert hat, gibt es wohl nicht.
Wie wird die Kriegsführung überwacht?
Im Endeffekt gar nicht. Es gibt natürlich keinen „Schiedsrichter“, der die Regeln der Kriegsführung sicherstellen kann. Über die sogenannten Schutzmächte, die das erste Zusatzprotokoll zur HLKO vorsieht, können Rechtsverletzungen zumindest dokumentiert werden. Ein Staat, der das Völkerrecht in einer militärischen Auseinandersetzung bewusst verletzt, davon grundsätzlich nicht unmittelbar gehindert werden.
Allerdings können Verstöße gegen die Regeln der Kriegsführung als Kriegsverbrechen zu völkerrechtlicher Haftung des Staates und zu Strafverfolgung der handelnden Personen führen.
Besatzung
Was bedeutet Besatzung?
Als Besatzung bezeichnet man die tatsächliche Ausübung der Herrschaftsgewalt durch fremde Truppen als Folge eines Krieges. Unerheblich ist dabei, ob der Krieg noch andauert oder schon beendet ist.
Die bloße Anwesenheit von Truppen, bspw. als Teil der Kriegsführung, reicht dabei nicht. Notwendig ist vielmehr auch der Wille zur Tätigkeit als Besatzungsmacht, also zur Ausübung von hoheitlicher Tätigkeit.
Welche Regeln gelten für die Besatzung?
Pflichten der Besatzungsmacht sind insbesondere:
- Sicherung der öffentlichen Ordnung (Art. 43 HLKO)
- Sicherstellung der Daseinsfürsorge (Art. 55 und 56 HLKO)
Für den rechtlichen Rahmen im besetzten Gebiet gilt:
- Die bisherigen Gesetze gelten weiter (Art. 43 HLKO).
- Staatsdiener bleiben in ihren Ämtern (Art. 54 der GK IV).
- Eigenes Recht darf die Besatzungsmacht in Ausnahmefällen selbst setzen (Art. 64 der GK IV).
- Die Kerngrundrechte der Bewohner des besetzten Gebiets sind zu achten (Art. 46 HLKO, Art. 27 Abs. 1 der GK IV)
Die Finanzierung der Besatzungstätigkeit erfolgt in erster Linie aus dem Besatzungsgebiet selbst, insbesondere durch:
- Erhebung von Abgaben (Art. 48 und 51 HLKO)
- Beschlagnahme von militärischem Staatseigentum (Art. 53 HLKO)
- Erträge des sonstigen Staatseingentums (Art. 55 HLKO)